Betti Paoli                              Beata solitudo; sola beatitudo.

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Ich bin es müd’, mit thöricht milden Händen

Auf starre Felsen Himmelssaat zu säen,

An dumpfe Herzen, die mich nicht verstehen,

Noch länger Lied und Liebe zu verschwenden.

 

Zur Einsamkeit will ich den Schritt nun wenden,

Wo Laute Gottes durch die Stille wehen,

Und dir, Natur! du mächtigste der Feeen,

Des Herzens letzte Opfergabe spenden.

 

Du bist das Paradies, das nie verlorne!

Mit sanftem Friedenshauch heilst du die Seelen,

Wenn sie geritzt vom scharfen Lebensdorne.

 

Nur dir allein will ich mein Leid erzählen,

Und träumend sitzen an dem Waldesborne

Und seinem Rauschen meinen Sang vermählen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Mein Ruhm

(Elisabeth Glück)

1815 - 1894

Das ist mein Stolz, daß ich in diesen Tagen,

Wo feige Rücksicht so viel Zungen bindet,

Und fester stets das Reich des Trugs begründet,

Der Wahrheit leuchtend Banner kühn getragen;

 

Daß treu mein Herz für Recht und Pflicht geschlagen,

Dem folgend, was sich göttlich ihm verkündet,

Und nicht, ob es in Pactols Wellen mündet?

Mit schnödem Wuchersinn je mochte fragen;

 

Daß ich, gehaßt von Jenen, deren Streben

In meinem Innersten ich muß verdammen,

Weil sie der freien Psyche Fesseln weben;

 

Daß ich geliebt von dir, den Schmerzenflammen

Geheiligt und geweiht zu höh’rem Leben,

Und daß in dir mir Welt und Sein verschwammen!

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Abschluß

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

O laß sie dich nicht reu’n, die tiefe Wunde,

Die du der Brust der Dichterin geschlagen!

Fern sei’s von mir, dich darum anzuklagen,

Denn Gottes Walten war mit dir im Bunde!

 

Oft gab mir mein geheimstes Ahnen Kunde:

„Die kühn den Kampf um ew’ge Güter wagen,

Sie dürfen keine ird’schen Fesseln tragen!“

Und klar wie nie fühl’ ich’s in dieser Stunde,

 

So brich denn ein, du letzte Kerkerwand!

Auf Gottes Armen will ich aufwärts schweben –

Du warst das Werkzeug nur in seiner Hand.

 

Ein höh’res Ziel bestimmt er meinem Leben,

Als eitler Liebe bald verglomm’nen Brand,

Und ihm, nicht dir, füg’ ich mich nun ergeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              In ein Album

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894

Ein Lied von mir – was soll’s in diesen Blättern,

Von heitern Freundeshänden vollgeschrieben?

Was sollen in dem Kreise deiner Lieben

Hier dieser Grabschrift dunkel starre Lettern? –

 

Sahst du die Gemse je den Fels erklettern,

Von heißer Angst verzweifelnd fortgetrieben,

Bis ihr kein and’rer Ausweg mehr geblieben,

Als sich im Schwindelsturze zu zerschmettern?

 

So hat auch mir von allen, allen Wegen

Der Jäger Leben keinen frei gelassen

Und treibt mich nun dem Jäger Tod entgegen.

 

O sprich! wenn mich einst seine Arme fassen,

Schenkst du mir dann wohl frommen Mitleidssegen

In einem Blicke, einem thränennassen? -

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Felicia Hemans

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Es schwebt dein Lied mit heilig reinen Schwingen

Sanft tröstend über dunkeln Zweifelswogen,

Kein Sturm hat jemals es hinabgezogen, -

Er konnte nicht zu deiner Höhe dringen.

 

Dein frommer Sinn entging des Lebens Schlingen,

Von keinem Wahnbild ward dein Aug’ betrogen,

Du sah’st, aufblickend zu dem Himmelsbogen,

Die Welt in Gott und Gott in allen Dingen.

 

Als Liebesgabe streutest du die Spende

Der zarten Lieder aus, in deren Fülle

Sich Engelszüge hold verschämt entschleiern.

 

Und lieblich wie dein Leben war dein Ende:

An einem Sabbathmorgen schiedst du stille,

Den Tag des Herrn in seinem Zelt zu feiern.

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An Wilhelm Kaulbach

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Ein Morgen war’s wie Gott ihn oft noch sende,

Als ich betrat die kunstgeweihte Halle,

Wo du, entfernt vom müß’gen Menschenschwalle,

Still nährest der Begeist’rung heil’ge Brände.

 

Gewalt’ge Bilder schmückten rings die Wände:

Die Geisterschlacht auf luft’gem Wolkenwalle,

Jerusalem in seinem Todesfalle,

Die edlen Werke deiner weisen Hände.

 

Ein schönes Bild in der Verklärung Rahmen

Standst du vor mir; da ward mein Herz vollkommen

Von Ahnungen, die trüb es überkamen.

 

Als ich dich sah von Ruhm und Reiz umglommen,

Dacht’ ich des Malers mit den Engelsnamen,

Den Gott geliebt und früh zu sich genommen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Der todten Mutter

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Oft hörte man in vor’ger Zeit mich klagen

In trostlos bangem, schmerzlichem Vermissen,

Daß Gottes Schluß so früh dich mir entrissen,

Daß sie so früh zu Grabe dich getragen.

 

Daß deine Brust, die treue, ausgeschlagen,

Die einstens war mein sanftes Ruhekissen;

Daß in des Lebens wirren Finsternissen

Ich nun vergeblich muß nach Liebe fragen.

 

Doch jetzt, wo wild’re Stürme mich umschauern,

Als früher jemals meine Seele trafen,

Kann ich dein Scheiden nimmermehr bedauern.

 

Trost ist mir’s, daß du schon im sichern Hafen,

Bedenk ich, welchen Schmerz und welches Trauern

In deiner stillen Gruft du darfst verschlafen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Den Vergessenen

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        O sprecht mir nicht bedauernd von den Qualen,

Die Dante’s kühnen Dichtergeist durchdrungen,

Von denen Tasso’s trübes Herz bezwungen,

Die sich auf Byron’s schönem Antlitz malen.

 

Denn Purpur liegt auf ihren Wundermalen,

Was sie geahnt, das haben sie errungen,

Es tönt ihr ew’ges Lied von allen Zungen,

Ihr Ruhm wird licht durch alle Zeiten strahlen.

 

Viel tief’res Mitleid macht mein Herz erkranken,

Gedenk’ ich Jener, denen das Verhängniß

Den freien Geist gebannt in starre Schranken;

 

Die ruhmlos fielen in des Kampf’s Bedrängniß,

Dem Stummen gleich, der rettende Gedanken

Verkerkert fühlt in seines Mund’s Gefängniß!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Dem trüben Freund

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Und glaubst du denn, daß die geheimen Wehen,

Die heimlich rauh in deiner Brust erwachten,

Ob du sie auch magst zu verbergen trachten,

Der Freundin treu besorgtem Blick entgehen?

 

Der Andern Mitleid magst du stolz verschmähen,

Doch meine Liebe darfst du nicht verachten;

Wie groß die Schmerzen auch die dich umnachten,

Ich litt genug, um alle zu verstehen.

 

Allein empfand’st du je in dir mit Grauen,

Daß sich die finstern Geister mächt’ger regen,

Wenn sie in Worten sich verkörpert schauen;

 

Dann will ich gern, als stillen Thränensegen,

Auf die verschwieg’nen Wunden Balsam thauen

Und schweigend den geliebten Kranken pflegen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Verständniß

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Gefallen mögen sich die Schwachen, Feigen,

Im listigen Verbergen und Verhehlen;

Verstohl’nes Glück mag ihren matten Seelen

Den stärkren Reiz, die schärf’re Würze zeigen.

 

Mich aber ängstigt dieses dumpfe Schweigen,

Dem Schwäch’ und Feigheit sich so gern vermählen,

Mit freud’gem Stolz möcht’ ich der Welt erzählen,

Daß mein du bist und daß ich dir zu eigen.

 

Und dennoch nein! Nie darf von unserm Munde

Das Gluthgeständniß uns’rer Liebe flieh’n,

Die Welt begriffe nicht so fremde Kunde!

 

Noch hat sie keinem Glücklichen verzieh’n;

Darum, mein Freund, sing’ ich von unserm Bunde

In nur von dir verstandnen Melodien!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Zuflucht

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Sie suchen rauh, mit feindlichen Gewalten,

Den frommen Geist der Liebe zu bezwingen;

Doch was sie wünschen, werden sie’s vollbringen?

Nur brechen kann mein Herz, doch nicht erkalten!

 

Des Trennungsabgrunds schauerliche Spalten

Weiß der Gedanke rasch zu überspringen;

Es eilt mein Lied zu dir auf mächt’gen Schwingen,

Die sich im Sturm noch kräftiger entfalten.

 

O laß sie Müh’ und Arbeit d’ran verschwenden,

Uns zu entreißen was der Herr uns gab!

Er kann ihr finstres Werk zum Heile wenden.

 

Und bricht dereinst der letzte Hoffnungsstab

Auf rauhem Dornenpfad in unsern Händen:

So bleibt uns noch die Liebe und – das Grab!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Unwandelbar

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Wenn ich die Briefe sehnend nach dir wende,

In deinem Anschau’n selig mich vernichte,

Schreckt mich ein Zug in deinem Angesichte,

Der mahnend spricht von nahem, dunklem Ende.

 

Da falte ich in wilder Angst die Hände,

Erliegend dieser Ahnung Gramgewichte,

Und flehend ruf ich auf zum ew’gen Lichte:

O jeden Jammer, mir nicht diesen sende!

 

Doch mag auch nahe Trennung uns bedräuen,

Mein Herz wird d’rum nicht von dir weggetrieben –

Es ist zu stolz, um künft’ge Qual zu scheuen!

 

Nur tiefer wird der Drang ihm eingeschrieben,

Dich bis an’s Ende tröstend zu erfreuen,

Den Scheidenden noch zärtlicher zu lieben!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Nächtliche Feier

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        So naht die stille Nacht in dunklen Flören,

Die Sterne gleiten hin im lichten Reigen

Und himmlisch süße Traumgestalten steigen

Vor meinem Sinne auf in holden Chören.

 

Kein irdisch geller Laut ist mehr zu hören

Rauh mahnend, daß ich noch der Erde eigen,

Soll ich dies tiefe, ahnungsvolle schweigen

Mit meines Liebes Wonn-und Wehruf stören?

 

O laß mich lieber wort- und zeichenlos

Ein freier Geist zu deinem Geiste treten,

Bis unser Sein in Gottes Meer zerfloß!

 

Laß, was des Tages Stürme niedermähten,

Mich still verpflanzen in des Jenseits Schooß,

In nächt’ger Einsamkeit mich für dich beten.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Schranken

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Wohl dir, der du aus edlerm Stamm entsprossen,

Dein Herz mit keinem Erdenwunsch befrachtest!

Doch weil so hehr das Ziel, nach dem du trachtest,

So suche unter Höhern die Genossen!

 

Mein Herz ist von zu heißem Blut durchflossen,

Von Flammen, die du selbst in ihm entfachtest,

Und was du erdentrückten Sinn verachtest,

Mit festen Banden hält es mich umschlossen!

 

Wir knieen an verschied’nem Opferherde;

Dem lichten Jenseits fühlst du dich verbündet,

Ich fühle mich als Kind der dunklen Erde!

 

Fremd bleibt mir das, was dein gemüth entzündet,

Und dir erklärt nicht meine Gramgeberde,

Was still ein brechend Menschenherz empfindet!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Gedächtnis

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Mit rauhem Wort hast du mein Herz versehrt,

Der gläub’gen Seele schlugst zu Zweifelwunden,

Bis ich dem trüben Bündnis mich entwunden,

Das sich von Gram und Bitterkeit genährt.

 

Jetzt hat die Trennung Sanftmuth mich gelehrt,

Der früh’re Groll ist nun von mir geschwunden,

Ich denke nur der ewig lichten Stunden,

Die uns zum Himmel diese Welt verklärt.

 

Vergessen hab’ ich, daß du dem Gemüthe,

Deß liebvoll Strebens war, sich dir zu einen,

Zerstört der Freunde und der Hoffnung Blüthe:

 

Ich weiß nur mehr, wie ich voreinst an deinen

Entflammten Lippen wonneselig glühte –

Und wieder muß ich schmerzlich um dich weinen!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Beruf

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        So hast du wieder dich, mein Herz, betrogen,

Andichtend kälterm Herzen dein Empfinden,

Und siehst nun trauernd und verzagend schwinden

Die schöne Hoffnung, die du groß gezogen.

 

Wie Noah’s Taube warst du ausgeflogen,

Dich mit der Erde wieder zu verbinden;

Doch ach! da war kein Ölzweig aufzufinden,

Und finster braus’ten noch die kalten Wogen.

 

O gib es endlich auf, mit Gramgeberden

Nach dem zu streben, was nicht zu erlangen,

Weil es das Glück der Sel’gen wär’ auf Erden!

 

Dein Loos, so lang die Welt dich hält gefangen,

Ist mehr zu lieben, als geliebt zu werden,

Und auszuspenden mehr, als zu empfangen!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Herbstgefühl

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Tief schmerzlich hat es sonst mein Herz erschüttert,

Sah ich, wie von dem rauhen Sturmesreigen

Erfaßt, die welken Blätter von den Zweigen

Hernieder in den fahlen Staub gezittert.

 

Doch bei dem Schmerz, der jetzt in mir gewittert,

Ist mir so frommes Mitleid nicht mehr eigen,

Und ungerührt sah ich mit finsterm Schweigen

Den Reiz der Flur verstoben und zersplittert.

 

Die Blätter, die mein keimend Glück gesehen,

Als süß der Frühling durch die Welt geschauert,

O mögen sie verwelken und verwehen!

 

Ihr Sinken wird von mir nicht mehr betrauert,

Denn war auch kurz und flüchtig ihr Bestehen,

Sie haben länger als mein Glück gedauert.

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Requiescat!

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                       Was willst du mich mit frommem Trug bethören?

Was hältst du mich mit sanftem Arm umfangen?

Die Zeit der Liebe ist ja doch vergangen –

Was willst du ihr Gespenst heraufbeschwören?

 

Wir können uns nicht fürder angehören!

Mag glühend auch mein Herz nach dir verlangen,

Der Kuß, den Mitleid haucht auf meine Wangen,

Nicht trösten Kann er mich, nein! nur empören.

 

Laß uns so kindisch, thöricht nicht verfahren

Wie jenes Volk, das kalten starren Leichen

Des Lebens Anschein suchte zu bewahren.

 

Wenn Liebe starb, was soll der Liebe Zeichen?

Ihr Herrlichstes, wir haben es erfahren,

Jetzt laß mich dir die Hand zum Abschied reichen.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Entmuthigung

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Ich denke manches Werk noch zu vollbringen;

Zum Bau, der einst soll in die Wolken ragen,

Noch manchen festen Stein herbeizutragen

Mit ernsten Fleißes lohnendem Gelingen.

 

Auch manches Lied gedenk’ ich noch zu singen,

Das leben soll in ferner Zukunft Tagen,

Noch manchen Preis gedenk’ ich zu erjagen

Und manchen Kranz noch um mein Haupt zu schlingen.

 

Es ringt die Kraft, daß sie sich kennen lerne,

Allein den finstern Feind ringt sie nicht nieder,

Der siegreich herrscht auf diesem Wandelsterne.

 

Und wenn ich dies erwäge, scheint mir wieder

Das Streben Wahnwitz und ich schlösse gerne

Im Tode meine müden Augenlieder.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An die Einsamkeit

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Zu lange mied ich deine heil’ge Spur!

Zu lange hab’ ich, thöricht und vwermessen

Des wehmuthvollen Liebeseid’s vergessen,

Mit dem ich einst mich deinem Dienste schwur.

 

Es rächte dich die Welt zu bitter nur!

Sieh’s an den Thränen, die mein Auge nässen.

Im Dunkel jener schattenden Cypressen

Will ich dir klagen, was mir widerfuhr.

 

Vergiß, daß ich dich jemals konnte meiden!

Von langer Irrfahrt kehr’ ich nun zurück,

Um nimmer, nimmermehr von dir zu scheiden.

 

In dir vollende sich nun mein Geschick!

Fahrt hin, der Erde kümmerliche Leiden,

Und mehr noch du, des Staubes nichtig Glück1

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Plan

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        “In den stillen Klostermauern wirst du enden!”

So ward mir einst gesagt; ich schwieg betreten,

Dann aber lächelte ich des Propheten

Und hing nur fester an des Lebens Spenden.

 

Doch jetzt beginnt mein Sinn sich oft zu wenden.

Nach jener Zuflucht, jener einst verschmähten,

Und Sehnsucht fühl’ ich, dort in Gluthgebeten

Des Herzens Flammen aufwärts zu entsenden.

 

Ein Kloster träum’ ich mir am Südenstrande,

Dicht an dem Meer, das groß und unermessen

Emporrauscht bei des Morgenrothes Brande.

 

Um’s Kloster einen Garten von Cypressen

Uns Pinien, gleich einem grünen Bande,

Und drinnen Ruhe, Stille und Vergessen!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Die neue Zeit

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        I.

 

Weil mir die Gegenwart nicht will behagen,

Und kummervoll mein Blick sich von ihr wendet,

Glaubst du, ich sehne thöricht und verblendet,

Zurück mich nach den hingeschwund’nen Tagen?

 

O wahrlich, nein! nicht ihnen gilt mein Klagen!

Wo ist das Herrliche, das sie vollendet?

Den Hort der Menschheit haben sie verschwendet,

Den Geist verfolgt und an das Kreuz geschlagen.

 

Wem ließen sie ein anderes Gedächtniß

Als das der Schmach, selbstsüchtig niedern Strebens,

Und ihrer würdig, ist auch ihr Vermächtniß!

 

Entsprang in ihrem Pfuhl nicht das Gewürme,

Das giftig zehrt am Marke unsers Lebens?

Sie säh’ten Wind – wir ernten nun die Stürme!

 

 

II.

 

Wenn im Gebirg, auf fernen Alpenhöhen

Wo nichts vernehmbar als der Windsbraut Grollen,

Sich thürmen rings des Eises blaue Schollen,

Schneewolken ihren Inhalt niederwehen;

 

Da ist es, ach! wie leicht vorauszusehen,

Es werde von des Frühlings Lust durchquollen,

Einst die Lawine donnernd niederrollen,

Und Schreckenspfade der Zerstörung gehen.

 

Mit vollem Rechte magst du vor ihr zittern,

Verwüsten wird sie blüh’nde Wiesenhänge,

Die Eichen wie die junge Saat zersplittert.

 

Des Friedens Haus wird sie in Trümmer schlagen,

Doch ist darum der Winter nur, der strenge,

Und nicht der Hauch des Frühlings anzuklagen.

 

 

III.

 

Die Schuld der Väter ist’s, für die wir büßen.

So laßt den ernsten Tag der Sühnung schalten;

Mag er auch qualvoll unser Herz zerspalten,

Wir wollen ihn mit festem Muth begrüßen.

 

Der eine Trost muß all’ sein Leid versüßen;

Nichts hemmt den Geist in seinem ew’gen Walten!

Was wir am theuersten und höchsten halten

Ist Staub nur unter seinen heil’gen Füßen.

 

Jetzt taugt es nicht, am grünen Bergeshange,

Sich feindlich stille Hütten zu erbauen.

Auf! gürt’ und rüste dich zum Pilgergange.

 

O keinen Blick zurück auf die Ruinen!

Verachtend lerne auf das Ird’sche schauen,

Dann werden Engel nahen und dir dienen.

 

 

 

Betti Paoli                              Am Christabend 1849

(Elisabeth Glück)                    an Frau von P. O.

1815 – 1894

Die Nacht der Weihe war herangekommen,

Sie fand mich einam in dem fremden Land;

Am Christbaum glühte bunter Lichter Brand,

Allein für mich war keines angeglommen.

 

Und wie ich nun so traurig und beklommen,

Die eig’ne Einsamkeit ermessend, stand,

Da kam die Sendung deiner lieben Hand

Und hat den Gram mir schmeichelnd abgenommen.

 

Wie froh hielt ich den Blick darauf gekehrt!

Wie freut’ ich mich der anmuthsvollen Gaben,

Die du aus deiner Ferne mir bescheert!

 

Wie ließ ich Aug’ und Herz daran sich laben,

Und in der Fremde, in der öden, kalten,

Wie nahe fühlt’ ich deiner liebe Walten!

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              An Peter von Cornelius

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        I.

 

Der Name Petrus ward mit Recht der Deine,

Du starker Fels im sturmdurchwühlten Meer!

Du treuer Hüter heiliger Altäre!

Druide du, in dem geweihten Haine!

 

Wenn Lüge und Verkehrtheit im Vereine

Sich frevelnd wagen an die reine Lehre,

Da stehst du ein für deines Glaubens Ehre,

Im Kampfe niederschmetternd das Gemeine.

 

Wie ein Gebild aus längst versunk’nen Tagen,

Wo lodernd der Begeist’rung Flamme brannte,

Seh ich dein Bild in hehrer Größe ragen.

 

Und wer, gleich mir, dein tiefstes Sein erkannte,

Nach deinen Ahnen wird er nicht mehr fragen;

Ich kenne die Ezechiel und Dante!

 

 

II.

 

Im Paradies, als noch im grünen Laube

Der Apfel blinkte, den uns Gott verwehrte,

Da war der kühne Leu des Lamm’s Gefährte,

Der Adler koste freundlich mit der Taube.

 

Der Schwache ward dem Starken nicht zum Raube,

Die Größe wußte nichts von Stolz und Härte;

Die fromme Mähr’, die mich die Mutter lehrte,

Wie ich nun wieder freudig an sie glaube!

 

Den tiefen Sinn der deutungsvollen Mythe

Wie sollt ich ihn bezweifeln und verneinen,

Da sie in meinem Leben neu erblühte!

 

Kein dunkles Räthsel kann sie mir mehr scheinen,

Seit du, Gewalt’ger! dich voll milder Güte

Zu mir herabgeneigt, der Schwachen, Kleinen.

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Tagesspuk

(Elisabeth Glück)                    An M.

1815 – 1894

Als Kind vernahm ich oft die Märchenkunde,

Die ich mit kind’schem Grauen nachgelallet:

Sobald vom Thurm die zwölfte Stunde schallet

Beginnet der Gespenster Lebensstunde.

 

Da halten sie die schauerliche Runde

Von ihrem weißen Sterbekleid umwallet,

Bis licht Gewölk, das sich im Osten ballet,

Zurück sie scheucht um dunkeln Kirchhofsgrunde. –

 

Doch Manche sind wohl nicht so fest gebunden

An dieser Vorschrift strenge Observanz,

Und dürfen wandeln zu belieb’gen Stunden.

 

Und so ward dir’s, dem armen Menschenwracke,

Beschieden bei des Mittags hellem Glanz,

Herumzuirren, ein Gespenst im Fracke.

 

 

 

 

 

 

Betti Paoli                              Den Proselytenmachern

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Es warnen mich streng gläub’ge Apostolen:

„Noch ist das Leben dir ein Festgelage;

„Wie aber einst, wenn deines Sommers Tage

„Dahin geschwebt auf allzu flücht’gen Sohlen?

 

„Wenn deine Flammen einst zu todten Kohlen

„Geworden, deine Kraft zur eitlen Sage?

„Wenn die vermeintlich schon gelöste Frage

„Dich neu bestürmt, wo willst du Trost dir holen?“

 

Vielleicht bei Euch! wer weiß es anzugeben.

Auf welche Krücke seine Wahl wird fallen,

Wenn seinem Geiste Muth und Kraft entschweben?

 

D’rum ist es auch mein liebster Wunsch von allen,

Zu enden ein sich selbst getreues Leben

So lang noch dunkel meine Locken wallen!

 

 

 

 

Betti Paoli                              Frauenglück

(Elisabeth Glück)

1815 – 1894                                        Es gibt ein Glück, vom Weibe nur empfunden:

In Liebe sich so gänzlich zu versenken,

Daß für sein Handeln, Dulden, Fühlen, Denken

Fortan der Schwer- und Ruhepunkt gefunden!

 

Dem Manne, dem es innig sich verbunden,

Der besten Güter reichstes Maß zu schenken

Und drauf den Zweck des Dasein zu beschränken

An allen Orten und zu allen Stunden!

 

Solch treue Liebessorge kann sich zeigen

In mancherlei verschiedenen Gestalten,

In Tat und Wort, ja selbst in mildem Schweigen.

 

Doch heilig ist sie stets und hoch zu halten,

Mag als Maria sie dem Geist sich neigen,

Als Martha im Bereich des Hauses walten.